WEINIG und Bittel AG in Zermatt: Kraftakt im Hochgebirge

Durch das Werkstattfenster leuchtet das Matterhorn in strahlendem Licht. Ein traumhafter Ausblick, doch im Gegensatz zu Millionen von Touristen für Markus Bittel Alltag. Er führt am Fuße des 4478 hohen Schweizer Berggiganten eine Schreinerei. Wie seine High-Tech-Fensteranlage hoch nach Zermatt kam, ist eine spannende Geschichte.

Es gibt Dinge, die sind unzertrennbar. So wie Tisch und Stuhl. Oder auch Zermatt und das Matterhorn. Rund 1,2 Millionen Gästeübernachtungen verzeichnet jedes Jahr die Touristenhochburg im Schweizer Wallis. Das Matterhorn gibt dem schicken Städtchen sein unverwechselbares Gesicht. In der Region mit ihren insgesamt 22 Viertausendern tummeln sich im Sommer Bergsteiger und im Winter Skifahrer. Viele Prominente besitzen hier ein Chalet. Der Verkehr in den engen Straßen ist fast geräuschlos, denn Zermatt ist eine autofreie Zone, in der nur E-Mobilität erlaubt ist. Wer als motorisierter Tourist hinein will, muss sein Fahrzeug im Terminal Täsch zurücklassen. Die restlichen 5 Kilometer werden dann im Bahn-Shuttle bewältigt. Für den, der es sich leisten kann, steht gleich neben der Station ein Hubschrauberlandeplatz zur Verfügung. Schreinermeister Markus Bittel sieht eine solche Einrichtung eher pragmatisch. Der Hubschrauber ist in den Bergen ein normales Transportmittel. Einmal lieferte Markus Bittel Fenster samt Verglasung aus der Luft auf die Baustelle in 3.500 Meter Höhe. Spektakulär, doch für ihn nur eine Randbemerkung wert. Der gebürtige Zermatter will eigentlich nur seiner Arbeit nachgehen. So wie es schon sein Vater und sein Großvater getan haben.

Genau wie die Generationen davor, ist er auf Innenausbau und Fensterbau spezialisiert. Derzeit führt er das Geschäft mit oft bis zu 14 Mitarbeitern gemeinsam mit seinem Bruder. Besonders der Fensterbau entwickelt sich bei der Bittel AG stetig. Aktuell entfallen bis zu 70 Prozent der Fertigung auf Holz- und Holz-Alufenster sowie auf Hebe-/Schiebetüren und Nebenprodukte. Jedes Jahr verlassen 1.800 bis 2.000 Fenstereinheiten die Werkstatt. Durchaus ein Grund zur Zufriedenheit, wenn nicht die besonderen Umstände des Standorts Zermatt wären. Quasi mitten durch seine Werkstatt bewegen sich von früh bis abends Wanderer, Mountain-Bike-Fahrer und Elektromobile in großer Zahl bergauf und bergab. Markus Bittel erlebt täglich vor der Tür die Enge des Mattertals. Auf der rechten Straßenseite produziert er in einem schönen alten Gebäude, das er angemietet hat. Mehr Platz ist an dieser Stelle nicht. Schon gar nicht für die Abteilung Oberfläche. Es blieb nur das Ausweichen auf einen schmalen Streifen auf der anderen Straßenseite. Dort drückt sich jetzt ein kleiner Betonbau an den nahen Hang. Drinnen ist wenig Platz. Bei gutem Wetter wird deshalb der ein oder andere Prozess schon einmal nach draußen verlagert.

Expandiert hätte Markus Bittel gern, doch es gibt da ein Problem: „Bei einem Quadratmeterpreis von etwa 3000 Schweizer Franken in Zermatt muss man schon rechnen“, meint er. Dazu bereitet ihm der Standort, in dem immerhin 90 Prozent seiner Kundschaft beheimatet sind, noch eine andere Sorge: „Wir kriegen hier kaum Fachkräfte. Die jungen Leute aus dem Tal wollen nicht das ganze Jahr oben in den Bergen leben“. Bis vor vier Jahren hat er diesen Mangel noch nicht so gespürt. Dann erkrankte sein Schwager, der die Fertigung auf den herkömmlichen Einzelmaschinen perfekt beherrschte, schwer. Nach seinem Ausfall wusste Markus Bittel, dass er die Produktionsweise komplett umstellen musste. Im Internet stieß er auf die Weinig Conturex. Das war exakt die Lösung, die ihm vorschwebte. „Rationelle Einzelteilfertigung ohne ständiges Umrüsten, dazu noch tolle Bearbeitungsqualität durch die Zangentisch-Technologie“, fasst er seine persönlichen Highlights zusammen. Im Vergleich zu anderen Maschinen auf dem Markt begeisterte ihn die Weinig Philosophie, nach der „der Tisch fährt und nicht das Werkzeug“, wie er es ausdrückt. Insgesamt passte die extrem flexible Auslegung der Conturex-Konzeption ideal zu seinen vielen Aufträgen mit kleinen Losgrößen. Nach dem ersten Direktkontakt mit dem Gebietsverkaufsleiter Erik Barmettler von Weinig Holz-Her Schweiz überzeugte ihn der Besuch eines Referenzbetriebes endgültig. Doch noch fehlte ihm der Mut für die beträchtliche Investition. Dann brachte ein eher zufälliges Ereignis die Wende. Auf Einladung eines Geschäftspartners besuchte er den Vortrag eines bekannten Motivators. Es war ein mitreißender Abend, der ihm eine enorme Kraft verlieh, erinnert sich Markus Bittel: „Am Ende habe ich zu meiner Frau gesagt: So, jetzt gehen wir nach Hause und kaufen die Conturex“.

In wenigen Sekunden bekam klare Konturen, was den Schreinermeister schon seit Jahren nicht mehr ruhig schlafen ließ: die Zukunftsausrichtung seines Betriebes. Welches Modell er sich konkret anschaffen wollte, stand aus Platzgründen fest: Eine Conturex Compact, die Einstiegsvariante des breiten Weinig Programms für die CNC-Fensterfertigung. Die Maschine verfügt über ein Portal und zwei Aggregate, darunter eine Universalspindel für die Rundumbearbeitung. Bei der Konfiguration des CNC-Centers spielt die Wahl der Eckverbindungstechnik naturgemäß eine wichtige Rolle. In den Bergen wird das Thema aber unter anderen Gesichtspunkten diskutiert als im Tal: „Einige Kunden der Schreinerei sind auf über 3.000 m daheim. Die Fenster müssen dort Winden bis zu 200 Km/h standhalten“, sagt Erik Barmettler. Um die nötige Stabilität für die Fensterkonstruktion zu gewährleisten, entschied man sich für das Oertli System Connect, eine Eckverbindung mit Langloch-Zapfen. Ein weiteres Merkmal der Conturex von Markus Bittel ist die Auslegung auf Längen bis zu 6 Meter anstelle der üblichen 4,50 Meter.

Seit Mai steht nun die Weinig Fenstermaschine in der Werkstatt des Schreinermeisters und produziert zur vollsten Zufriedenheit des Betriebs. Davor jedoch lag ein langer Weg nach Zermatt. Schon beim ersten Ortstermin mit den Weinig Spezialisten hatte sich gezeigt, dass buchstäblich Zentimeterarbeit nötig war, um die tonnenschwere Maschine in die kleine Werkstatt zu bekommen. Letztlich musste sogar noch ein Loch in der Decke geschaffen werden, weil die Absaugung sonst nicht gepasst hätte. Das zu befürchtende Statikproblem durch die bauliche Veränderung bekam man durch eine Abstützung mit Stahlträgern in den Griff.

Nach Klärung der Platzfrage war es im März 2018 eigentlich nur noch um die Installation der Maschine gegangen. Nur noch? Nein. Zermatt ist auch hier sehr speziell. Für Schwertransporte bedarf es einer Sondergenehmigung. Und die erhält man nur innerhalb eines kurzen Zeitfensters im Mai und November. Dann nämlich, wenn keine Saison ist. Markus Bittel entschied sich für den bevorstehenden Frühling, gleich nach der Schneeschmelze. Unten im Tal wurde die 16,5 Tonnen schwere Conturex auf zwei kleinere Transporter umgeladen und dann in den an das über 1.600 Meter gelegenen Ziel transportiert. Von der Gemeinde hatte man nur eine Stunde Zeit zum Abladen bekommen. Eine große Herausforderung, die das Weinig Monteur-Team am Ende bravourös bewältigte. „Keine andere Weinig Conturex produziert an einen so hoch gelegenen Ort wie diese“, vermerkt Erik Barmettler nicht ohne Stolz. Dass sich die Mühen gelohnt haben, ist bereits spürbar. Markus Bittel kann durch die Conturex-Technologie nun mit dem Wettbewerb im Tal locker mithalten – sowohl bei der Flexibilität als auch bei der Lieferschnelligkeit. Die ist in Zermatt von besonderer Bedeutung, denn seine Kunden kommen häufig aus Gastronomie und Hotellerie. Den Profis bleibt zwischen den beiden Saisonabschnitten nur wenig Zeit für Bau, Ausbau oder Renovierung. Daraus ergeben sich hohe Terminanforderungen, die Markus Bittel mit seiner Conturex  mühelos erfüllen kann. Wobei „mühelos“ in doppeltem Wortsinn zu verstehen ist: Nach der Schulung bei Weinig in Tauberbischofsheim beherrscht der Fensterbauer die CNC-Maschine und die Steuerung hervorragend. Damit kann er die Vorteile der Conturex für die Prozessgeschwindigkeit voll ausnutzen: „Früher hieß es warten, wenn wir einen Fensterauftrag nach einer Schiebetür bearbeiten wollten. Heute laufen beide Aufträge parallel durch, ohne dass jemand sich drum kümmern muss“, freut sich Markus Bittel. Den Fachkräftemangel im Mattertal sieht der Schreinermeister jetzt etwas gelassener. Die wirklich anspruchsvollen Arbeiten wie die Konstruktion auf seinem Fensterprogramm 3E und die Arbeitsvorbereitung erledigt er selbst. Die Bedienung des vollautomatischen Conturex kann er dagegen auch weniger erfahrenen Mitarbeitern anvertrauen.

Am Ende eines langen Weges mit vielen Hindernissen hat Markus Bittel seinen Traum realisiert. In vielen langen Sitzungen mit den „Superhirnen“, wie er die Fensterbau-Spezialisten aus Tauberbischofsheim bezeichnet, wurde für seinen Betrieb unter schwierigen Bedingungen eine optimale Lösung entwickelt. Letztlich hat ihn die Investition nach der Erkrankung des Schwagers wieder auf die Erfolgsspur gebracht. Das wiegt schwerer als die Eigenarten von Zermatt. Und am Ende eines intensiven Gesprächs wird Markus Bittel sogar ein wenig philosophisch: „Wer hier arbeitet, muss die Berge lieben“, sagt er und genießt auch selbst mal den Blick durch das Werkstattfenster auf das majestätische Matterhorn.

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